Beste Nachwuchsproduktion 2017: „Less than Human“
Der im Dokumentarstil realisierte Abschluss-Animationsfilm „Less than Human“ von der dänischen Hochschule Animation Workshop gewann 2017 die Auszeichnung für die beste Nachwuchsproduktion. Inklusive der 3.000 Euro, die die Digital Production in dieser Kategorie jedes Jahr sponsert!
Nach einer Zombieplage wird überlegt, ob die in Exil-Camps lebenden Untoten wieder in die Gesellschaft integriert werden sollen. Die Presse recherchiert vor Ort, wie wahrscheinlich dieses Vorhaben ist. Zombie Andy ist erfreut, nach so langer Zeit wieder Menschen zu Gesicht zu bekommen und lädt das Team kurzerhand zum Tee in die Wohnung ein. Das nachfolgende Interview hätte auch durchaus nett werden können, wäre da nicht Andys cholerischer Mitbewohner Don.
Ideenfindung
Zum initialen Startschuss für den Kurzfilm kam es während einer Zugfahrt, als Character Animator Steffen Bang Lindholm einige Ideen in sein Skizzenbuch zeichnete. Dabei entstand ein Zombiecharacter, der ein Sonnenbad genießt und dessen Gedärme dabei die Worte “Everybody needs a vacation” formen. Steffen stellte sich vor, wie lustig ein Interview mit diesem Character wäre. Als das Team in den Nachrichten sah, welche Welle der Feindseligkeit den Flüchtlingen bei ihrer Ankunft in Europa entgegenschwappte, verfestigte sich die Konzeptidee.
Als Inspirationsquelle diente unter anderem der Humor und das Timing des Kurzfilms “John and Karen” von Matthew Walker. Der Film wurde in einem Zeitrahmen von 9 Monaten von 8 Studenten unter der Anleitung der Dozenten Anja Perl und Leigh Russell sowie einigen anderen Industrie-Professionals realisiert.
Drehbuch schreiben
Steffen Bang Lindholm stand bei dem Projekt im Speziellen vor der großen Herausforderung, die Rollen des Writers und Directors zu erfüllen, denn bislang hatte er keine Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt. Vor allem das Schreiben der Dialoge war für ihn eine harte Nuss – es dauerte sehr lange, bis etwas herauskam, das sich richtig anfühlte. Hinzukam, dass Englisch nicht Steffens Muttersprache ist, was es schwierig machte, etwas Unverfälschtes und Authentisches zu verfassen.
Maya/Blender-Workflow
Schon zu einem frühen Zeitpunkt setzten die Studenten auf einen Maya/Blender-Workflow, weil eines der Teammitglieder sehr viel Erfahrung mit der Open-Source-Software besaß. Blender kam für das Digital Layout und das Blocking der Modelle zum Einsatz, animiert wurde mit Maya.
Beim Modeling war der Arbeitsablauf mit den verschiedenen Softwarepaketen organisierbar, weil beide .obj-Dateien exportieren und öffnen können. Das einzige auftretende Problem waren geflippte Normals, was aber ein Script löste. Mit diesem säuberte das Team die Geometrie jedes fertigen Modells, so ließ sich die Problematik vor dem Laden des Assets in die Pipeline umgehen.
Shotgun für die Preproduktion
Für das Projektmanagement nutzte das Team Shotgun, hauptsächlich jedoch in der Preproduktionsphase. Es half den Studenten die Übersicht zu bewahren über all die Assets und Tasks der gesamten Produktion und den Zeitaufwand für die Aufgaben einzuschätzen. Da der Film keine Großproduktion war, wäre der Einsatz des Tools bei der eigentlichen Produktion – verglichen mit dem zu erwartenden Nutzen – zu zeitfressend gewesen. So ließen sie die Verwendung von Shotgun einfach auslaufen. Steffen dazu: „Shotgun ist ein sehr gutes Tool mit vielen Features, aber für unsere kleine Produktion wäre es ein Overkill gewesen. Schön wäre, wenn es eine Light-Version gäbe, die speziell auf die Arbeit von kleinen Teams zugeschnitten ist.“
Lange Einstellungen & Animationsprobleme
Durch den dokumentarischen Kamerastil waren einige der Shots extrem lang, sodass nicht ein einzelner Animator daran arbeiten konnte. Das Team teilte die Shots deshalb in zwei oder mehrere kleine Maya Scenes und führte diese erst wieder zusammen, als die Animation fast fertig war. Danach finalisierten die Artists die Animation in der großen Einzel-Maya-Scene und sorgten für eine nahtlose Verbindung zwischen den Shots. Eine Posen-Library erleichterte dabei die Arbeit der Animation-Artists, so ließen sich Character-Posen und Kamera-Positionen von dem Ende eines Shots in den Anfang des sich anschließenden Shots kopieren. Das erlaubte jedem Animator ohne Unterbrechung am eigenen Shot weiterzuarbeiten. Für weitere Optimierungen waren nur wenige Artists für die Kameraanimation verantwortlich, sodass Kontinuität beim Einsatz der Kamera gewährleistet war.
Die Rigs der Charactere sind komplex und besitzen ein umfangreiches Facial Control Setup. Mit dem Animschool Picker legte das Team Selection-Sets für die Controllers an, die am häufigsten genutzt wurden. Das gleiche machten die Studenten für die Gesichts-Controllers und legten eine Kopie mit einem Setup der Kontrollen als Fenster neben den Character während die Facial Animation realisiert wurde.
Auch die Constraints der Animation bereiteten Schwierigkeiten, weil das verwendete Constrain-Tool nicht für den Export der Animation zu gebrauchen war. Versuche, das Constraint-Tool zu reparieren, scheiterten, sodass das Team die Constraints in den langen Maya-Szenen manuell fixen musste.
Geometrie-Cache
Auch beim Geometrie Cache der Animation für das Rendering bereitete die Länge der Shots Probleme, weil es Maya schwer fiel, die hohe Frameanzahl zu berechnen (2.000 Frames in einigen der Shots). Dabei chrashte die Software öfter als dass Cache exportiert wurde. Also musste das Team den Shot erneut splitten, damit sich eine geringere Anzahl an Frames zur gleichen Zeit umsetzen ließ. „Zukünftig werden wir sicherlich zwei Mal darüber nachdenken, ob wir solch lange Einstellungen machen“, lacht Steffen.
Houdini
Das SideFX-Programm setzten die Studenten für die Smoke Simulationen von Dons Zigarette ein. Zunächst überlegten sie, Stock-Videomaterial oder echt gedrehte Rauchaufnahmen in der Postproduktion einzusetzen. Aber nach einigen Tests stand fest, dass Houdini diesbezüglich die besten Ergebnisse lieferte, sodass es dabei blieb.
Das Renderman-Biest
Die Studenten entschieden sich für Renderman, weil die Software für nichtkommerzielle Projekte kostenfrei ist, wodurch das Team nicht in der Anzahl der Lizenzen eingeschränkt war. Außerdem besitzt die Engine ein Denoiser-Feature, mit dem sich Grain vom Output-Bild entfernen lässt, so konnte in einer etwas niedrigeren Qualität gerendert werden, was natürlich Renderzeit sparte. Hinzukam, dass die Shaders leicht zu lernen waren und die Preview-Render in Maya sehr schnell liefen, verglichen beispielsweise mit V-Ray. Die Studenten versuchten die Szenen so gut wie möglich in Maya zu finalisieren, da das Denoiser-Feature nur beim Beauty Render funktionierte. „Von V-Ray waren wir es gewohnt, die Bilder für das Compositing in viele verschiedene Passes aufteilen zu können, was bei Renderman nicht ging. Aber da das Rendering sehr schnell lief, änderten wir Dinge einfach in Maya und renderten diese Szenen neu. Im Anschluss verwendeten wir im Compositing zahlreiche Masken“, weiß Steffen.
Da das Team noch nie zuvor mit Renderman gearbeitet hatte, war viel Trial and Error nötig, bis die Studenten das Programm verstanden hatten: „Wir mussten lernen, wie Renderman sich ‚hinter den Szenen‘ verhält. Unsere Maya-Szenen wurden mit den alten Shader-Networks und Settings schnell unordentlich. Wir mussten die Szenen erstmal cleanen und die Ordner für die gecachte Geometrie upgedatet halten, um die Dateien durch die Renderfarm zu bringen. Ansonsten gab es Fehler in den Output-Bildern und der alten Geometrie/Animation“, erinnert sich Steffen. Um diese Problematik zu lösen schrieben die Studenten Scripts, die automatisch die Assets und Settings in die Render-Szenen luden sobald eine geöffnet wurde, sodass die alten Daten verschwanden.
Zukunftspläne
Wie es mit den beiden Zombies weitergeht, weiß Steffen noch nicht. Es gab einige interessante Angebote für eine Weiterführung des Projektes, aber der Regisseur hat sich noch nicht entschieden, ob er das überhaupt möchte. Wir würden auf jeden Fall gerne wissen, wie es im Zombie-Camp mit Andy und Don weitergeht!
(Mirja Fürst)