In a Heartbeat

Jury’s Prize: „In a Heartbeat“

Ein Animationsfilm zum Thema Outing? „In a Heartbeat“ gewann in diesem Jahr den „Jury’s Prize“, weil das Team des Ringling Colleges of Art and Design damit eine mutige Entscheidung für ihren Abschlussfilm getroffen hat. Und natürlich half auch die hochkarätige Qualität der Animation.

Dem schüchternen Middle-School-Schüler Sherwin entflüchtet jedes Mal sein Herz, wenn er Jonathan, den beliebtesten Jungen der Schule sieht. Das freche kleine Ding springt unkontrolliert in seine Richtung und stupst ihn an. Sherwin jagt es quer über den Campus, damit es ihn und seine Gefühle nicht verrät. Denn wer will schon von seinem eigenen Herzen geoutet werden? Der Animationskurzfilm mit einer Laufzeit von 4 Minuten wurde von nur zwei Studenten am Ringling College kreiert: Esteban Bravo und Beth David. Die beiden arbeiteten rund 1,5 Jahre an dem Projekt, vom Storyboard bis zum finalen Film.

Zeitmanagement & Pipeline

Die Studenten hatten ein Semester Zeit, um für ihren Abschlussfilm das Design ihrer Charactere, der Sets sowie der Props zu entwickeln. Hinzu kamen in dieser Phase das Kreieren des Storyboards und des Animatics. Nachdem die Ergebnisse der Preproduktion von den Dozenten abgenommen waren, verbrachte das Team die Sommersemesterferien vor ihrem Senior-Jahr mit dem 3D-Modeling der Charaktere und Sets mit Maya und ZBrush, damit sie im Herbst bereit fürs Rigging und die Animation waren. Die Haare enstanden mit dem Ornatrix-Plug-in, texturiert wurde mit dem Substance Painter.

Das Herbstsemester stand dann ganz im Zeichen des Riggings, der Animation und dem Layout, was eine Menge Holz für einen Zeitrahmen von drei Monaten war. Aber auch das folgende Frühlingssemester wurde nicht entspannter, denn dort realisierte das Team das Lighting, Set Dressing, Rendering und Compositing des Films. Beim Rendering setzte das Team auf den neuen RIS-Algorithmus von RenderMan, mit dem Pixar unter anderem das oscarprämierte Projekt „Piper“ realisierte. Die größte Challenge in dieser Phase war es, das von den Studenten angestrebte Niveau der visuellen Raffinesse mit der zur Verfügung stehenden Zeit und den begrenzten Ressourcen zu erreichen.

In a Heartbeat 1

Kickstarter

Um den aufwendigen Film realisieren zu können, starteten die Studenten im November 2016 eine vierwöchige Kickstarter-Kampagne. Sie benötigten 3.000 US-Dollar, um für den Film, der keine Dialoge enthält, einen einzigartigen Soundtrack komponieren zu lassen und Hilfe beim Compositing zu bekommen. Am Ende der Kampagne erzielten sie insgesamt 14.000 US-Dollar als finanzielle Unterstützung aus der ganzen Welt, was zeigt, wie überfällig die Behandlung der Thematik im Animationsbereich zu sein schien. Nach seinem Release auf Youtube Ende Juli ging er viral und wurde bislang 30 Millionen Mal (!) angeschaut. Das mediale Interesse an dem Projekt war ebenfalls enorm.

Eine Herzensidee

Die Idee des aus der Brust springenden Herzens, das den Schwarm verfolgt, stammt von einem Freund der beiden Studenten. Mit seiner Erlaubnis verwendeten die beiden sein Gedankengut und arbeiteten es zu einem Filmkonzept aus. Ursprünglich war die Geschichte mit einem Jungen und einem Mädchen geplant, was sich aber für die Studenten nicht rund anfühlte. Erst als sie entschieden, über eine gleichgeschlechtliche Liebe zu erzählen, bekam das Konzept für das Team etwas Besonderes und Bedeutungsvolles. „Wir wollten in unserem Kurzfilm etwas zeigen, von dem wir uns gewünscht hätten, es selber zu haben als wir Kinder waren“, erklärt Esteban Bravo. „Ein Teil von uns spürte, dass dies ein Baby-Schritt sein könnte, der gleichgeschlechtlichen Romantik Normalität zu verleihen, und der hoffentlich auch größere Produktionen und Studios zukünftig inspiriert, das Thema in Filme aufzunehmen“, so Beth David.

In a Heartbeat 2

Referenzen

Eine der wichtigsten Inspirationen war die amerikanische Comicserie „Steven Universe“ von Rebecca Sugar. In der Kindersendung wird die Coming-of-Age Geschichte des Jungen Steven erzählt, dabei gefiel den beiden Studenten vor allem Umgang der Cartoon Network Serie mit LGBTQ-Characters (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Queer) außerordentlich gut.

Auch den Look der Peanuts studierten die Studenten genau und nutzten sie als Vorlage hinsichtlich des Stils und der Stimmung. Den gleichen Charme und die Unschuld, die diese Filme und ihre Charaktere ausstrahlen, wollten auch Beth und Esteban in ihrem Kurzfilm zeigen.

In a Heartbeat Team
Esteban Bravo hat nach seinem Abschluss im Animation-Department der Blue Sky Studios angefangen zu arbeiten, Beth David ist im Digital Entertainment Studio JibJab tätig.

Ziele erreicht

Die größte und wichtigste Erfahrung für Beth und Esteban war während der Zeit des Entstehungsprozesses die Beobachtung, wie der Film und seine Charactere langsam zum Leben erweckt wurden: „Jeder der im Animationsbereich tätig ist, weiß wie fordernd und frustrierend die Arbeit an einem solchen Projekt ist, aber es hat unglaubliche Freude bereitet, uns die Ideenbälle zuzuwerfen und unsere Kräfte zu kanalisieren, um etwas zu schaffen, das uns persönlich so viel bedeutet.“ Beide würden sehr gerne auch zukünftig mit den „In a Heartbeat“-Figuren arbeiten und weitere Projekte für dieses Universum schaffen – offizielle Pläne diesbezüglich gibt es aber noch nicht. „Viele Menschen haben uns erzählt, dass unser Film ihnen geholfen hat, sich und ihre Sexualität zu akzeptieren und ein Coming-out zu wagen, was uns unglaublich freut. Ihnen bei ihrem Weg zu helfen, war alles, was wir je erhofft haben, mit dem Film zu erreichen“, sagen die Ringling-Absolventen glücklich und ergänzen: „Das Herz will was das Herz will – und daran ist absolut nichts falsch.“

(Mirja Fürst)